Eberbach, 18.6.46.
Liebste Frau Stolz, lieber Herr Kowalke !
Das war aber eine große Überraschung für uns, dass Ihre liebe Karte hier eintraf,, allerdings ein großer Wermuthstropfen, als wir lasen, dass Ihr lieber Vater, Tante Grete und unser liebes kleines Büdchen in die ewige Heimat uns schon vorausgegangen sind. Nehmen Sie alle unser allerherzlichstes Beileid entgegen, was haben Sie nur, liebe Frau Stolz, für Schweres durchgemacht. In dieser schrecklichen Zeit wäre Ihnen doch Tante Grete eine so große Stütze und großer Trost gewesen und dass auch Büdchen[ d.i. Büdi vgl.Fluchttagebuch Schroedter] mit seinem drolligen altklugen Geplauder nicht mehr unter Ihnen sein darf. Aber Gottes Wege sind nicht unsere Wege. Für den armen kleinen Kerl, der mit seinem Asthma so geplagt war, würde das Leben da oben in dem feuchten Klima auch sehr schwer gewesen und dann die entsetzliche Ernährung und der furchtbare Lebenskampf. Nun, die Zeit heilt alle Wunden, Sie sind wenigsten noch mit den beiden Junges hoffentlich gesund aus der Hölle heraus gekommen und wissen wenigstens, dass Ihr Lieben auch wirklich tot sind und im Frieden eines Kirchhofs beigesetzt sind.
In der Stadt hier es furchtbar und die Massengräber bergen viele Tote auch unsere dzg Familien, die noch heute nicht wissen wo ihre Angehörigen verblieben sind .Es gibt wohl kaum eine Stadt wie Danzig, so Stadt und Land so zertrümmert und verwüstet sind, wo so viele Menschen ums Leben gekommen sind und wo Russen und Polen sich haben so austoben können. Ich habe bis zum letzten Augenblick im Büro gearbeitet, am Sonnabend vor Palmsonntag abend fing die Stadt an zu brennen und wir mitten im (…) Kessel drin (..) mussten wir wegen der Brände den Keller (nachsehn) Im Keller der Kreisbauernschaft schlug eine schwere Granate ein und tötete bzw verletzte mehrere Personen Wir kamen alle glücklich heraus und landeten schließlich im Keller der Fortbildungsschule an der großen Mühle, die schon ausgebrannt war, der Keller aber erhalten blieb, aber entsetzlich heiß. Hier blieben wir 2 Tage + 2 Nächte bis Mittwoch früh und erlebten einen Beschuß, der unvorstellbar ist. Ständig prasselten die Granaten und unserer Gegen hernieder, da die Russen den (..) turm als Ziel hatten. Mit unseren Nerven waren wir am Ende, außerdem kamen ständig Frauen und Kinder zu uns herein, die aus anderen Kellern flüchten mussten und vor Durst verschmachteten. Von 15 Personen waren wir 150 Personen geworden Als die Russen dann hereinkamen, gingen wir in den Keller von Bekannten in der (Helbau) gasse, der mit sämtlichen Lebensmitteln stehen geblieben war. Bis Mittwoch 11 Uhr waren unsere Koffer nur noch ein wüstes Durcheinander, meine Mutter und ich ohne Mäntel. Meine Angehörigen begaben sich auf die Straße, um im Vorort oder Stadtrand bei Bekannten ein Quartier zu finden.
Hier wurde mein Bruder, zusammen mit vielen anderen Zivilisten verhaftet, meine Mutter & Schwestern von Russen verfolgt und so auseinander gesprengt, dass alle 3 auseinander gerissen wurden. Meine jüngste Schwester fand mich am anderen Tage, nachdem sie entsetzliche Stunden der Angst und des Schreckens in ihrem Versteck aus gestanden hatte. Von Mutter & Schwester keine Spur. Ich habe dann mit davor noch 2 furchtbare Tage in ständiger Angst vor den Russen durchgemacht, wenn zum Glück in einem Keller, wo wir uns gut verbergen konnten, die dritte Nacht waren wir dann zusammen mit 100 rten von Frauen in der St .Elisabethkirche, die nur noch ein Trümmerhaufen war. Hier hatten wir dann einen Kampf mit einem entsetzlichen Russen zu bestehen, in dem wir, da wir 2 gemeinsam kämpften, Sieger blieben. Allerdings bekamen wir jeder einen tüchtigen Kobenschlag an den Kopf, meine Schwester so unglücklich ins Gesicht, dicht unter dem linken Auge, dass ein russ. Offizier am andren Tage, Karsamstag, dafür sorgte, dass sie in das Diakonissenhaus aufgenommen wurde. Hier sorgte sie dafür, dass wir beide zur Hilfe für die verwundeten Deutschen Soldaten dort bleiben konnten und wir hatten endlich ein Obdach und waren vor den Russen gerettet. Das diak. Haus war durch eine Bombe teilweise zerstört, das Amtsgericht war daher als Kriegsgefangenenlazarett eingerichtet. Zum erstenmal nach 8 Tagen habe ich dann erst wieder geschlafen, allerdings auf der Erde auf einer Decke. Ich konnte es gar nicht fassen, dass wir vor den Russen geschützt waren.
Jetzt musste ich immer an unser liebes Muttchen denken und tröstete mich in dem Gedanken, dass sie mit meiner Schwester irgendwo bei Bekannten in Sicherheit sein werde. Wie groß war daher mein Schrecken, als ein bekannter Herr, der im Krankenhaus seine Frau fand, mir mitteilte, dass er meine Mutter noch lebend vor drei Tagen in unseren Luftschutzkeller angetroffen habe. Ich zog mit meiner Schwester gleich hin, wurde aber von einer Russenpatrouille nicht in den Keller hinein gelassen. Auf mein lautes Rufen antwortete niemand. Da die Russen eine drohende Haltung annahmen und uns zur Kommandatur bringen wollten, mussten wir zurückkehren und beauftragten einen älteren Herrn, im Keller nachzusehen. Dieser brachte uns dann die Mitteilung, dass unsere Mutter im Keller allein läge und bereits 1 Tag tot sei. Dieser Herr veranlasste dann, dass meine Mutter in einem Garten des Küsterhausees von St. Katharinen ( Gerade gegenüber von der Kirche, wo die Pastoren wohnten) begraben wurde Ganz allein hat unsere liebe Mutter 13 Tage dort unten im Keller zugebracht, in dem Gedanken, dass der Sohn und beide Töchter nach Russland verschleppt seien. Dieses hat uns später Frl. Kolberg von der Viehverwertung erzählt. (Auch war sie) nach uns, ist sie mit ihrem Vater im Keller auf dem Holzmarkt gewesen und hat dort unsere Mutter allein angetroffen, wo sie dann 2 Tage & 2 Nächte bei ihr verblieben ist und ca 4 Tage vor ihrem Tode weggehen musste. Unsere Mutter war sozusagen ohne Lebensmittel. Sie können sich denken, wie schrecklich uns das war und hat es sehr lange gedauert, bis wir dieses so einigermaßen überwunden haben. Einige Tage darauf fand uns dann unsere Schwester Gertrud, die sich in Langfuhr bei einer Freundin verborgen hielt, aber sehr oft nach Dzg. pilgerte, um nach uns und unserer Mutter zu forschen. Auf ihren Rückwegen, war sie auch in unserem Keller, wurde aber von Russen sofort hinausgejagt, sonst hätte sie unsere Mutter da noch lebend angetroffen. Merkwürdiges Schicksal, daß unsere Mutter so allein, ohne ihre Kinder sterben musste. Dora wurde nun krank und lag im Keller des Amtsgerichts, wo wir schliefen.
Ich schälte Kartoffeln von morgens 5 Uhr bis abends 6 Uhr ohne Mittagspause, ohne Sonntag. Ich erhielt für uns 3 zu Mittag einen Kanne Erbsen (fast täglich Erbsen ) und für Dora ein Schleimsuppe am Abend. In den ersten 8 Wochen kein Brot. Es war eine schreckliche Hungerei und haben wir jeder 40 (Pfundzeichen ) abgenommen. 14 Tage nach unserem Aufenthalt im Lazarett, trafen wir auf dem Hof des Diakonissenhauses, unseren Bruder, der zusammen mit 8 Herren für das Gefängnis Schießstange Wasser von der Pumpe holte Also konnten wir ihn jeden Tag sehen und mit List Briefe und Essen hinschmuggeln, auch von den andren Gefangenen Briefe für die Angehörigen entgegennehmen, die Gertrud austrug. Unsere verwundeten Soldaten wurden nun alle nach dem Osten abtransportiert, auch Otto (Kindel ) aus Strauchhütte war darunter. Nun kam russ. Personal und konnten wir aus dem Amtsgericht mit großer Mühe unsere paar Sachen noch herausbekommen, zogen auf den Kaninchenberg, von wo ich dann in der Küche, jetzt als Abwaschfrau, weiter tätig sein konnte.Wir hatten ständig aber Durchfall und hörte ich dann am 1. Juli auf, weil wir alle doch das von den Russen gekochte Essen nicht vertrugen. Wir verkauften nun einige Sachen, um Lebensmittel zu erwerben und warteten im Übrigen auf die Entlassung unseres Bruders, weil dies allgemein erzählt wurde, um mit ihm zusammen ins Reich zu fahren .Da drangen um 19.8.45 8 poln. Milizsoldaten in unsere Wohnung, schlugen uns sehr und nahmen uns zur Arbeit auf die Kommandatur. Hier gelang es uns, freizukommen, und sind wir dann um 21.8. abgefahren. Die letzten guten Kleider hatten sie uns noch fortgenommen. In Gotenhafen musste Dora und ich den Bahnsteige fegen, nachdem wir 100 Z B b e z a h l t h a t t e n , k o n n t e n w i r d a n n i n d e n Z u g e i n s t e i g e n u n d h a t t e n G l ü c k , d a s s w i r o h n e P l ü n d e r u n g i n B e r l i n i n 4 8 S t u n d e n a n k a m e n . I n B e r l i n k e i n e L e b e n s m i t t e l m a r k e n n a c h 5 T a g e n w e i t e r n a c h H a l l e . D o r t a u c h o h n e L e b e n s m i t t e l k a r t e n , w i e d e r n a ch 5 Tagen weiter an die Grenze, nur vom Russen fort. Mit 13 Soldaten nachts über die Rhön gewandert und glücklich beim Ami angelangt. Jetzt los nach München, dachte dort bei der Landesbauernschaft unterzukommen. Es war wegen der Flüchtlinge aber noch nirgends etwas organisiert und wurde wir nirgends aufgenommen. Von Fulda auf offenem Kohlenwagen bis Erlangen/Bayern, dann herunter gestiegen, da nach 18 Stunden Fahrt völlig erstarrt. Da Bayern uns nicht aufnahm, wir vielleicht auch nicht die richtigen Stellen wussten, kehrten wir in den Westen zurück und blieben in einem hess. Dorf hängen. Ich wurde von all den Strapazen krank und lag 4 Wochen zu Bett, wir richteten uns für den Winter ein. Inzwischen hörte ich, dass Frau Jansen aus Schönbeck hier in Eberbach gelandet sei.
Zur Auffrischung meines Lebensmutes, der angesichts unserer trostlosen Lage völlig gesunken war, machte ich eine Reise an den Rhein /französ. Zone zu Bekannten, wo wir aber nicht bleiben wollten. Dann besuchte ich gleich Frau Jansen und dabei hat mir das Städtchen, das 10.000 Einwohner hat und dicht am Neckar liegt, sehr gefallen und habe ich auch die Zuzugsgenehmigung erhalten. So sind wir denn am 25.3. hierher gezogen. Mein Bruder konnte Ende Oktober aus dem Gefängnis entfliehen und hat uns am 20.11. in Hessen gefunden. Wir wohnen hier an 3 verschiedenen Stellen. Mein Bruder hat sei Mitte April eine Beschäftigung auf der Stadtverwaltung mit sehr geringem Gehalt, aber er ist wenigstens untergebracht und wird von der Vergangenheit etwas abgelenkt Er hat auch Furchtbares durchgemacht. Von 1900 Zivilisten sind 1.700 in 5 Monaten an Hunger & Typhus gestorben. Da er Sportler war, hat er die Hungerkuren usw. überstanden, hat auch nicht Typhus gehabt, trotzdem die Kranken in seiner Zelle lagen.
Renk-Pietzkendorf [Liste] blieb noch zurück und hatte die Absicht sofern er entlassen würde, irgendwo im Kreise Karthaus unterzutauchen und andere Verhältnisse abzuwarten. Er & seinen Frau konnten polnisch, da sie bei (Hoene-Leesen& (Bartels) gelernt hatten. Helmuth (Meseck) war auch zusammen mit meinem Bruder, wie ich jetzt erfahren habe, ist er Anfangs Sept. 45 mit Hans (Meseck) heraus und betreibt bei Kassel einen Gemüsebau. Wendt Schönfeld [Liste] soll auch auf Schießstange gewesen sein, es ist ganz ausgeschlossen, dass er als alter Herr dort gesund heraus gekommen ist. Der ehem. Senator Hinz ist am (Krebs) markt bei Überführung zur Schießstange tot zusammen gebrochen. Dieses erzählte mir seine Schwägerin. (Hoene)Schwintsch [Liste] war mit seiner Familie nach Heubude geflüchtet, zusammen mit Grimm’s Meisterswalde[Liste] Es wurde von den Russen furchtbar zerschlagen, man erzählt von ihm, dass er erschossen worden sei. Herr d’Heureuse-(Nenkau)(?) war bis 1.Juli in Danzig und zog dann mit Familie & Handwagen aus Danzig heraus. An der Oder angekommen, war der Handwagen leer und er musste ihn denn da lassen. Zur Zeit ist er im Vogtlande bei einer Viehverw.Gen[ossenschaft], trägt sich aber auch mit dem Gedanken, nach Sachsen zu fahren. Er bestätigte die Nachricht vom Tode der Herrn (Grenz Zenene(?) ,den er in Halle erfahren hatte. Gassel-Suckschin[Liste] war als Landarbeiter in Rostau [Liste] tätig und ist mit seiner Frau aus Dzg. Im Juli herausgefahren. Angeblich soll eine Tochter verschwunden sein. (Stumberg, Krenz-Straschin [Liste], Müller-Rettm und Goertz Astschau(?) waren beim Viehauftreiben für die Wehrmacht tätig. Durch eine Bombe wurden Krenz und Müller getötet , (Westl Neufuhr)(?) und Goertz verwundet. Er & Stumberg erhielten die Genehmigung, mit dem Schiff herauszufahren. Stumberg sitzt im Kreis Eckernförde, Goertz in Mecklenburg in der russ. Zone als Betriebslandwirt über etliche tausend Morgen (parzelliert an Siedler) Paul Ernst von der Lbsch.[Landesbauernschaft] war auch kurz in Gefangenschaft, seine Frau starb in Mai an Ruhr, er selbst fuhr im Juli heraus und ist auch in die engl. Zone. Dr. Mix vom Viehw[ertungs]. Verband ist im Ural verstorben. Die Großschlächter Bottke und Amas(?) sind noch im Ural, desgl. Viele, viel Danziger, auch Frauen und Mädchen. Gehrmann(Domachau(?) wurde noch im Graudenzer Gefängnis gesehen, von dort fehlt jede Spur. Seine Frau ist später nach Domachau, das sehr zertrümmert, zurückgezogen. Frl. Goertz-Schwarz(enfelde) hat auch viel Schreckliches durchmachen müssen und hat auch in Schwarzenf(elde) noch später gearbeitet, ist aber dann am 20.8. auch herausgefahren und jetzt in der franz. Zone bei Verwandten. Driedger’s ist es auch übel ergangen. Er in Pommern von Russen eingeholt, seine Frau und Sohn kamen nach Danzig zurück und haben sich in den Kellern herumgedrückt. Herr Froese ist tot, desgl. Der alte Hinz aus (Kohling). Auch der alte (Ehrecke)stolz fragen Kohling und sein Sohn (Ehrecke-Klempin[Liste] v. Arnoldi hat sich in Oliva erschossen. Bestvater-Rambeltsch[Liste] ist von der Wehrmacht, d.h. aus Gefangenschaft entlassen und sitzt oben in Holstein. Er schrieb mir u.a., dass (Zeydemann-Sonslau) noch in Gefangenschaft sei und Meiples Ramb(eltsch) [Liste] Selbstmord verübten Dies hörte ich schon in Danzig, es waren insgesamt 14 Personen, die sich das Leben nahmen. Auch Frau Jaenicke, die Frau von Poguttke [d.i. Fritz Jaenicke ], der in Dzg im Juni verstarb, erzählt uns in Gießen, dass aus ihrem Bekanntenkreise sich allein 100 Personen das Leben genommen haben.
Herr Burandt, der auch aus amerik. Gefangenschaft entlassen, sitzt in Coburg amerik. Zone, seine Frau in Dänemark. Er hat schon eine große Korrespondenz und erwähnte die Namen: Schreiber-(Bog(schau), Montau, Zeysing, Simbriger, sowie unserer Bauern aus Golmkau [Liste], Katzke [Liste] & Lamenstein [Liste]. Ich glaube, daß von der Höhe sehr sehr viele umgekommen bzw. in Russland sind. Die Niederung hat sich zum Schluß noch mit Schiffen absetzen können. Und wie grausam hat man unsere Familien von der Höhe verjagt, nun liebe Frau Stolz, Sie haben das ja alles in Ochsenkopf mitmachen müssen. Aus der Meisterswalder [Liste] Gegend hat mir viel Frau Jansen erzählt, die bis Juli in Schönbeck [Liste] blieb. Allerdings sollen auch viele Familien in Dänemark sein, das sind hoffentlich alle diejenigen, die aus der (Witsch)höhe in die Niederung zogen, dagegen ist die Oberhöhe restlos an die Russen ausgeliefert gewesen.
Welch ein Glück, dass sie lieber Herr Kowalke, in die Wehrmacht gingen, und noch aus Hela heraus kamen. Allein 100.000 Soldaten, die auf Hela gefangen genommen wurden, zogen durch Dzg. durch. Von Herrn Plasse werden Sie ja auch sicher über einige Anschriften orientiert sein, aber ich schrieb Ihnen diese, weil ich ja weiß, dass jede Nachricht über unsere Bauernfamilien von Interesse ist. Von Heinrichs-Praustfelde konnte ich bis jetzt nichts erfahren.[ehem.Kreisbauernführer Danzig Land] Dyck-Trutenau [Liste] sitzt zusammen mit Frl. Wohlfahrt im Kreise Eckernförde. Auch Frl. Manthey wohnt in Eckernförde, woselbst auch Frau v.Tiedemann ist. Ihr Sohn ist auch aus der Gefangenschaft entlassen. Frau Goertz-(Bengschin) sitzt in Amberg, vom Sohn Jobst fehlt jede Nachricht. Auch Wagner.Kladau [Liste] ist gerettet und Rang [Günther Rang bei Hamburg. Herr Conrad ist in belg. Gefangenschaft. Herr Dyck schrieb, dass vom alten Stamm jetzt alles da wären, nur Frl Hinz und Kowalke. Ich konnte ihm nun gleich ihre Adresse mitteilen, worüber er sich sehr freuen wird. Frl. Hinz wollte in Dzg bleiben.
Damals war ich glücklich, aus der Hölle heraus zu sein. Jetzt aber sehnt man sich mit allen Fasern seines Herzens zurück. Hier unten sind weiter keine Bekannten und Dzg. hergekommen, alles ist in Dänemark und Norddeutschland. Dies kann ja nur ein Übergang sein, denn so kann es ja nicht bleiben. Immer neue Flüchtlingsscharen kommen hinzu, hierher aus Ungarn, Jugoslawien & Mähren. Hier in Baden viel Wald & Berge. Kein Agrarland, der Menschenschlag nicht aufgeschlossen, wie bei uns im Osten. Was haben die Reichsgermanen von der Lbsch. uns nur an Kultur & besserer Bewirtschaftung beibringen wollen, hier ist überhaupt kein richtiges Bauerntum, nur Kuhbauern von paar Morgen Land. Auch in Hessen nur kleine Betriebe, die in erster Linie nur an sich selbst denken. Was haben wir bloss unterwegs alles erlebt, an Verständnislosigkeit und Hartherzigkeit uns Flüchtlingen gegenüber. Nur ein Gedanke beseelt alle Flüchtlinge, dass sie noch einmal in die Heimat zurückkehren können. Deutschland ist ja auf den Osten auch angewiesen und überall, wo jetzt die Slawen sitzen, bleibt das Land unbestellt liegen. Ich habe ja die Katastrophe immer vorausgesehen und wir beide, liebe Frau Stolz, haben uns ja immer über die so schwarz aussehenden Zukunft unterhalten.
Der Hochmut und der Stolz waren zu groß und die beste Rasse der Welt war die nordische deutsche Edelrasse und jetzt ; wie haben sich nur die Russen und die Marokkaner ausgetobt und die deutschen Mädchen geben sich noch jetzt freiwillig den Schwarzen hin. Es ist überhaupt von allem das Gegenteil eingetroffen. aber trotzdem, ich glaube an einen Wiederaufstieg. Erst wird noch mal eine große Heimsuchung und Reinigung auch noch über andere Völker kommen, und wenn wir dann genug gedemütigt und geläutert sind, und wieder die Nächstenliebe in unserem Volk sein wird, dann wird es uns auch besser gehen. Und daher hoffe ich auch, dass wir aus dem Osten, die wir so Scheußliches durchmachen müssen und unschuldig so ungerecht behandelt wurden, wieder in unsere Heimat zurück gehren können, wenn es nur nicht allzu lange dauern wird. Ich glaube nicht, denn es drängt auch zu einer Entscheidung über die Vormachtstellung in Europa. Ich betrachte das Ganze auch als eine Heimsuchung Gottes über die Völker, die sich durchweg von Gott abgewandt hatten. Und diese Heimsuchungen sind noch nicht zu Ende. All der Parteienkram, der jetzt wieder aufkommt, ist nur ein Übergang, wer weiß, was noch alles kommen mag, hoffentlich geht alles schnell vor sich, denn wir möchten doch noch am Aufbau unserer Heimat mit tätig sein. Jetzt können wir nur in Ruhe abwarten und sorgen, dass wir gesund bleiben, und einigermaßen satt werden. Letzteres ist bald gar nicht mehr möglich, da wir keine Zuschüsse haben und nur von den Karte leben. Aber wie lange soll das auch gehen, ohne Existenz. Bis jetzt lebten wir von unserer Spargroschen, die wir noch retten konnten, Aber mal gehen diese auch auf die Neige und es ist dringend notwendig, etwas zu verdienen. Hier in E. ist für mich und meine Schwester wenig Aussicht. In Heidelberg würden wir eine Existenz finden, aber jede Zuzug, auch für Arbeitssuchende gesperrt. So müssen wir vorläufig abwarten, aber man kann gar nicht an die Zukunft denken.
Das Leben hier ist noch teurer, als auf dem hess. Dorf schon für das wenige Gemüse müssen wir hohe Preise zahlen. Aber auf dem Dorf konnten wir auch schon meines Bruders wegen nicht bleiben, Eberbach gehört zum Landkreis Heidelberg und man hat doch eher Aussicht mal dort eine Stelle und den Zuzug zu bekommen. Aber dann ist wieder die Wohnungsfrage und die Ernährungsfrage in einer größeren Stadt, bei der augenblicklichen Ernährung ist es gar nicht möglich, eine Tätigkeit auszuüben. Ich bin immer müde und hungrig. Nun haben wir darunter in Dzg. Schon so schrecklich gelitten. Jeder einzige Tag in den 5 Monaten war ein Tag des schrecklichen Hungerns und außerdem des Grauens, was man im sich herum alles mit ansehen mute, wie die Frauen& Kinder starben und später die ständige Angst vor den Polen. Nun ist das alles überstanden und man war froh, de Hölle entkommen zu sein, wird aber doch von dem ganzen Flüchtlingselend allmählich zermürbt .Die ganzen deutschen Stellen versagen vollständig und können sich auch nicht durchsetzen, es gibt ja auch praktisch keine Arbeit.
Wenn man nun seine Landsleute und Dzg Bekannte wenigstens um sich hätte. Aber kann muß trotzdem zufrieden sein, dass man wieder ruhig über die Straße gehen kann, dass man die schöne Natur durchstreifen kann und einigermaßen gesund ist. Wir hätten ja auch in Russland landen können und man muß hoffen, dass allmählich eine Besserung der Verhältnisse eintreten wird. Wenn die Entfernung nicht zu groß und die Fahrt nicht zu teuer, würde ich Sie dort oben mal besuchen. Aber auch wegen der Ernährung ist es unmöglich, da es ja in der engl. Zone damit nicht besser gestellt ist, auch kann man sich ja keinen Reiseproviant mitnehmen. Mein Bruder war im März in Hamburg und kam ganz elend zurück, die ganze Erholung aus dem hess. Dorf, die damals wegen der besseren Brotzuteilung wir dort noch hatten, war weg. Und hat er dies nicht mehr aufholen können. Vielleicht kommen wir alle wieder mal schneller zusammen, als wir denken. Wenn Pommern oder Schlesien meine Heimat wären, würde ich noch etwas zuversichtlicher sein, aber Dzg. ist ja immer die Sehnsucht der Polen gewesen und zur Zeit ist Polen ja das Schoßkind von England. Auch Amerika hat große Sympathien für Polen, und doch hört man von ernst zu nehmenden Dzg Kreisen, dass der Freistaatgedanke nicht ruht und wir hoffen können, weil Sie, liebe Frau Stolz ja die Leidenszeit in Dzg. durchgemacht haben, und Ihren Herrn Bruder von der Zerstörung unserer Heimat ja alles persönlich berichten können. Ihr Haus in Oliva und Wohnungseinrichtung hat noch gestanden, meine älteste Schwester war darin. Im Geiste bin ich viel in Oliva und Zoppot Heubude & Dzg sind ja total zerstört, auch sehr viele Dörfer der Höhe und Niederung.
Nun bin ich recht gespannt auf Ihre Nachrichten und wie Sie sich dort eingerichtet haben und was Ihre Frau Mutter und Jungs machen. Hoffentlich ist alles gesund. Ist Reinhard schon konfirmiert und kommen sie in der Schule vorwärts ! Jetzt gibt es doch nur einen Beruf und das ist die Landwirtschaft, denn es gibt im Osten viel zu besiedeln. Wie glücklich für Sie, liebe Frau Stolz, solche Jungens zu haben, die einmal ordentlich für Sie schaffen werden und alles das wieder erwerben, was sie verloren haben. Meine Mutter hat es auch sehr schwer gehabt, bis wir alle im Berufsleben standen und ist es uns ein großer Trost, dass wir ihr einen schönen Lebensabend bereiten konnten. Wenn sie früher gestorben wäre, wären wir auch vorher herausgegangen, es war uns doch wohl bestimmt, all das Elend mit zu machen .Es tut mir auch nicht leid, da wir andrerseits auch wieder durch wunderbare Fügung aus der größten Gefahr herausgekommen sind.
Auch würde ich vielleicht sonst in Dänemark sitzen, hier in Freistadt ist es doch besser. Allerdings haben wir fast nichts gerettet, an Kleidung haben wir nur das Allernotwendigste , das allmählich verschleißt, weil nichts hinzukommt. Vor allem keine Betten, wodurch wir teuer wohnen, weil sich die Leute die Betten& Bettwäsche so hoch anrechnen. Wir wohnen an 3 verschiedenen Stellen; Dora und ich zusammen und haben die Küchenbenutzung bei uns wird gegessen. Dora ist rührend besorgt, aus dem Wenigen noch was herzustellen und würden wir zugrunde gehen, wenn wir sie nicht hätten. Sie hat bei unserer Mutter gut gelernt. Augenblicklich suchen wir beide eine anderer Wohnung, da wir 40, - RM Miete monatlich zahlen und eine Frau die Küche nicht mehr länger hergeben will. Wir möchten eine leere Wohnung, um endlich mal eine eigene Küche zu haben. Küchenherd für 100 RM sollen wir bekommen, alles andere wollen wir und zusammenleihen und wenn es ganz primitiv ist. Federbetten werden wir ja nicht haben, denn die gibt es nicht, aber mal heraus aus diesem Abhängigkeitsverhältnis mit der Küche. George& Trudi sind gut untergebracht und bleiben da auch. Da viele Flüchtlinge jetzt hier eingetroffen sind, ist es schwer, eine Wohnung zu bekommen, 100erte sitzen noch in Sammellagern und warten auf eine Zuteilung.
Die einheimische Bevölkerung will auch keine Opfer bringen und versündigt sich sehr an den Flüchtlingen Es ist also nicht möglich, hier heimisch zu werden, so dass alle Flüchtlinge, auch die aus Ungarn& Mähren dies nur als eine Übergang betrachten und mit einer Rückkehr in ihre Heimat rechnen. Wenn ich dann daran denke, dass bei uns im Osten nichts ist, kein Vieh, keine Saat, kein totes Inventar und in Dzg. Keine Wohnungen für die Menschen, dann ist mir alles schleierhaft, wie das alles mal besiedelt werden soll, weil Deutschland vollständig verarmt ist und dieses gar nicht finanzieren kann. Nun, kommt Zeit , kommt Rat.
Nun Ihnen, liebe Frau Stolz recht herzliche Grüße und alles Gute für die Zukunft, gleichzeitig herzl. Grüße an Herrn Kowalke sowie Mutter und Reinhard & Martin
von Ihrer Margarete Wegener
Recht herzl. Grüße auch von meinen Geschwistern. Umseitig einige Anschriften von Landwirtendie für Sie vielleicht von Interesse sind.
Hans Meseck, Kassel-Ki, Schanzenstr. 54 bei Klostermann (16)
Heinrich Dyck,[1892 bis 1975] Friedrichsleben über Lütjenburg, Osthols (24)
[KBF Danzig Land. Anm. 172Fluchttagebuch Schroedter]
Erich Burandt, Eichhof üb. Coburg (13 a) bei Frau Märtha Randt
Bruno d’Heureux Oelsnitz i./ Vogtland Altdeutsche Bierstube (10)
Bestvater Hattstatt bei Husum (24)
H.Göhrt Katarinen(land)-Krs.Eiderstedt Schleswig (24)
PS. Gen. West Lehrke-Braunsdorf ist von den Russen erschossen, als er sich vor seine Mädels stelle. Schimmel-Krönke aus Meisterswalde (Fritz) erschossen mit Frau u Sohn. Gastwirt (Locher) Meisterswalde ebenfalls. David Patzke hat sich das Leben genommen, die Fam. Heyske (Braunsdorf [Liste] ebenfalls, alle anderen Männer und Frauen verschleppt.
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[Am 12. Juli Konferenz auf der de Marshall Plan beschlossen wurde. Zahlungen kamen vom 3. April 1948 an bis zum 30 Juni 1952 Zayas S. 154] .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz. Eberbach/ N. 16.3.47 1 Br. 3 Bl.hs
Liebste Frau Stolz! .
Ihren und Reinhards Brief habe ich erhalten und heute ist endlich wieder mal ein stiller Tag, um Ihnen zu schreiben. In Gedanken bin ich viel bei Ihnen und wir sprechen oder von unserem Beisammensein und besonders, wenn ich die Vöglein draußen zirpen höre oder die Sonne scheint, dann ist irgend einen heimatliche Landschaft vor meinen Augen, oft ist es die See oder der Olivaer Wald, wo wir so oft zusammen gewandert sind. Dora fängt dann auch oft an: Weißt Du noch, als Vater mal sagte, seid mal alle still, hört Ihr die Vöglein singen? Oder weißt Du noch, als Reinhard mal mit dem Schlitten in den Elfengrund sauste und Tante Grete einen Lachkrampf bekam? Ja, weißt Du noch…Wie gut, liebe Frau Stolz, dass Sie ihre beiden Jungs haben, denn die Freude und der Sonnenschein, werden bestimmt wiederkehren, Sie werden wieder an den Stätten Ihrer Kindheit und Heimat weilen, und haben dann Ihre Kinder um sich, die Ihnen ja eigentlich ein Stück Heimat sind. Sie brauchen sich auch nicht zu fürchten was einmal werden wird, wenn Sie älter werden, dann sind die Jungs da, die für ihre Mutter sorgen werden, denn das werden sie, so schätze ich sei ein. Unsere ältere Schwester sagt oft, Was soll mal aus uns werden, wenn wir älter werden und nicht mehr arbeiten können, bezw. die jüngeren Kräfte ja stets bevorzugt werden und wir ja auch mehr und mehr herauskommen. Unsere ganzen Versicherungen und Renten sind vernichtet, Existenz, Heim & Vermögen futsch, bettelarm, keine Kinder, die uns im Alter eine Stütze und Halt sind. Schon Sie liebe Frau Stolz, alles schwere und alle Opfer, die Ihnen jetzt durch die Kindererziehung erwachsen, später trägt dieser dann mal seine Früchte; so ist es auch unserer Mutter ergangen, den Mann früh verloren, 2 Söhne im Weltkrieg dahingegeben, aber sie hat einen schönen Lebensabend gehabt. Gewiß ihr Tod war grausam hart wenn ich dann höre, wie viel schrecklicher so viele Ältere dahingerafft wurden, noch früh unter den Trümmern oder in einem Massengrab liegen, dann söhne ich mich immer mit dem Schicksal aus
.Doch nun zu etwas andrem. Ich freute mich sehr zu hören, dass Sie nun endlich eine kl. Wohnung gefunden haben und für sich allein sind. Wie haben Sie sich eingerichtet, haben Sie schon soviel, dass Sie ohne Hilfe der Menschen kochen und wirtschaften können?. Woran fehlt es ihnen besonders, vielleicht kann man mal herumschauen. Wenn es auch hier nichts Besonderes gibt, so hofft man doch, dass allmählich mal die Wirtschaft angekurbelt wird. Reinhard schrieb, dass er im Frühjahr konfirmierte wird, sicher also nach Ostern, den genauen Tag hat er nicht geschrieben. Ich habe erst ein Buch für ihn aufgetrieben und bemühe mich noch, für ihn etwas ausfindig zu machen. Für Sie habe ich ein schwarzes Kleid tauschen können. Es ist von einer netten Dame und noch ganz gut erhalten und können Sie es noch ein bissel verändern, vielleicht einen freundlichen Kragen anbringen, damit Sie nicht so düster aussehen.
Ich weiß, Sie lieben schwarz und es steht Ihnen auch die Farbe. Ich trage jetzt auch schwarz, aus einer Hakenkreuzfahne schwarz gefärbt hat mir eine Bekannte ein Kleid gemacht, mit einem hellblauen Kragen sieht es gar nicht so unübel aus. Wie ist man doch bescheiden geworden und man macht sich aus all diesen Sachen nichts mehr. Aus Papierbindfaden habe ich für Sie eine Einkaufstasche gemacht. Es ist meine erste Tasche und bin ich gespannt, wie Sie Ihnen gefällt. Ich habe sie hier in einem Geschäft genau so gesehen und durch gute Freunde erhielten wir Band, so dass auch meine ältere Schwester für jeden von uns so eine Tasche gefertigt hat. Ich werde mich noch um Band bemühen und dann sollen Sie später noch eine Tasche in anderer Form erhalten. Ich werde es noch in dieser Woche absenden und hoffe ich , dass Sie noch zu Ostern alles erhalten. Es ist ja so bescheiden. Sonst verläuft unser Leben so eintönig wie nur möglich.
Unser Bruder ist furchtbaren Stimmungen unterworfen, angesichts der trostlosen Lage, in der Deutschland sich befindet. Wo ist nur jemals ein Volk so geschändet, vertrieben und mißhandelt worden, und er kann es nicht überwinden. Ich sage mir immer, der liebe Gott lässt keine Bäume in den Himmel wachsen, und nur mein unbegrenztes Gottvertrauen lässt mich hoffen, dass es anders wird. Herr Montu-Gr.Saalau hat mich jetzt schon eingeladen, meinen künftigen Wohnsitz in Gr. Saalau aufzuschlagen, aber ohne den [Kreisbauernschaft Danzig Höhe]Stabsleiter Ewert!! Herr Ewert schließt in seinem Brief mit den Worten "Auf Wiedersehen in Danzig" Ja, es gibt noch größere Optimisten als ich es bin. Frl. Hinz von der Kreisbauernschaft musste ihrer schwer kranken Mutter wegen in Dzg. Zurückbleiben, die im Dezb. 46 verstorben ist. Während sie neulich von einer baldigen Heimfahrt ins Reich berichtet, schreibt sie mir jetzt von einer Wendung, die hoffentlich bald kommen wird. Sie sehen, die Hoffnung lässt die Menschen alles leichter ertragen und ich glaube nicht, dass der liebe Gott, auf den die Menschen meistens ihre Hoffnung setzen, dies Vertrauen täuschen wird. Frl. Manthey hat in Dezb. 46 geheiratet, einen netten Landwirt, de aber noch keinen Bauernhof , aber sonst ein nettes Heim hat. Herr Dyck hat die Tischrede gehalten. Frl. Hinz schrieb mir, dass Schreiber-Bankau([nicht in Liste]),Wendt-Schönfeld [Liste] Penner-Kowall [Liste], v.Wi(rcki) Altschottland [nicht in Liste] sowie dessen Tochter alle in den Schreckenstagen gestorben sind., Alle die Personen, von denen ich schrieb, werden Sie ja nicht kennen, aber Ihr Herr Bruder. Renk-Pietzkendorf [Liste] ist im Dez.46 von der Schießstange entlassen und freigesprochen. Nur ganz wenige sind dort übrige geblieben. In der Zeit, als mein Bruder dort weilte, sind allein 1800 gestorben, nun hat Renk noch 14 Monate länger dort aushalten müssen. Die ganze Familie ist in Dzg. geblieben.
Nun werde ich schließen, damit mein Brief sie bald erreicht. Schicke Ihnen noch ein Gedicht, das uns unser Pfarrer aus Danzig zu Weihnachten im Druck zugesandt hat. Er weilt in Berlin. Sie sehen, alles hat Heimweh. . Wenn es auch jetzt nicht mehr passt, weil Advent vorüber, so hat St. Katharinen nun ja auch immer das Osterfest eingeläutet und so wollen wir dann im Geiste auf die Osterglocken lauschen. Es gibt auch schon auf Erden eine Auferstehung von Leid und Kummer. Auch auf Erden folgt auf einen Karfreitag – Osterjubel. Unser Leid hat ja damals mit der Karwoche angefangen. Bzw. für Sie mit der Passionszeit. Wollen wir die Hoffnung auf eine baldige Auferstehung unseres Vaterlandes nicht verlieren. Und nun Gott befohlen. Mit 1000 herzlichen Grüßen an Sie und Ihre lieben Jungs und Oma sowie Ihren Herrn Bruder in Heimatverbundenheit
Ihre getreue Margarete Wegener
PS Im Schatten von St. Katharinen liegt unser liebes Muttchen zwischen Trümmern begraben. .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /n. 18.11.1947 1 Br. 2 Bl. hs.
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /n. 27.12.1947 1 Br. 2 Bl. hs.
Herzlichen Dank für die Weihnachtsgrüße. Leider konnte ich zur rechten zeit Ihnen keine übermitteln, weil ich die ganze Woche vorher immer bis in die späte Nacht hinein an den Vorbereitungen meiner Flüchtlingsweihnachten saß. Diesmal hatte ich auch ein Krippenspiel einzustudieren und daneben die Geschenke für 300 Kinder zu besorgen und zu verpacken. Von dem Männerverein erhielt ich ja 130 Spielsachen, darunter wertvolle Eisenbahnen, Puppenbetten etc. alles aus Holz gebastelt. Für die älteren Kinder hatte ich nichts und nach langen aufregenden Gängen erhielt ich dann etwas Lebensmittel, so daß ich jedem Kind 1 Tüte Mehl (1 Pfd.) und eine Konservendose( Gemüse bzw. Tomaten) zuteilen konnte. Es war sehr armselig. Eine Fabrik hatte mich im Stich gelassen, von der ich 50 Paar Hausschuhe bekommen sollte, sonst hätte man die Lebensmittel noch etwas besser zuteilen können. Nun, es war sehr aufregend für mich [….] 10 Pfund Mehl musste ich mir von meinem Bäcker borgen[….]
Mal muß ja auch die Sonne wieder für uns scheinen, das ist ja auch naturbedingt, sonst verkümmern wir ja in diesem Elend und das kann ich mir nicht denken, dass es Gottes Wille sein soll, unser Volk verkümmern zu lassen. Es kommt bestimmt wieder eine Zeit des Aufstiegs. Wie oft unterhalten wir uns darüber, wie verwöhnt und anspruchsvoll doch alles war. Nun muß ich noch berichten, wie wir die Feiertage verlebten[…] Ich denke immer an die schreckliche Zeit unter den Russen & Polen und dann bin ich immer dankbar, dass man unter deutschen Menschen wohnt und nicht mehr diese entsetzlichen slawischen Laute zu hören braucht […]
also ist Ihr Herr Bruder auch zu Ihnen gezogen, hoffentlich ist er nicht krank. Es ist 11 Uhr und ich werde gedrängt Schluß zu machen. Also Gott befohlen […] Hat Ihr Herr Bruder[Gustav Kowalke Leiter HAI de Landesbauernschaft Danzig Westpreussen und Kreisbauernführer Danzig Höhe] auch davon gehört, dass Herr Rethel [Landesbauernführer Reichsgau Danzig Westpreussen] und Herr Klein [Direktor] von der Raiff.bk. interniert sein sollen. Herr Dau-Hohenstein [Liste] ist inzwischen entlassen. Herrr Prohl-Schnakenburg [Liste] ist aus Dänemark inzwischen in Oberhessen gelandet. Auch Herrn Burandts Frau ist jetzt aus Dänemark heimgekehrt. Der junge Siewert hat sich auch aus Russland eingefunden. .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /n. 24.4.1948 1 Br. 2 Bl. mschr.
Ich bin in den letzten Monaten zeitweise auch in einer ganz trostlosen Verfassung . Verzweifeln tue ich ja nicht, da mein fester Gottesglaube mich über alles Trübe immer noch hinweg gebracht hat, aber es ist für uns hier alles so hoffnungslos, so lieblos usw. sie wissen es ja, wie es ist, wenn man nur von Menschen umgeben ist, die für uns Heimatlose aus dem Osten kein Verständnis haben.
Dazu muss man immer das Wohnungselend und sonstige Not der Flüchtlinge mit ansehen und kann nicht helfen. Nun wohnen sie schon zwei Jahre auf so beschränkten Raum, manchmal 5 – 6 Personen in einer Stube. Die meisten Flüchtlingsfamilien haben nur einen Wohnraum, in dem zugleich gekocht wird. Zu meiner trostlosen Gemütsverfassung kommt auch noch hinzu, dass eigentlich erst jetzt die Reaktion auf die ganzen Erlebnisse der Russenzeit und der nachfolgenden Zeit erst jetzt eintritt. Der ganze März und April ist ja voll von Erinnerungen an das entsetzliche Geschehen. In der Karwoche, hätte ich jeden Tag weinen können, auch zu Ostern, weil ja um diese Zeit unser Unglück im Osten begann, jeder Tag erinnerte uns an die furchtbaren Erlebnisse, auch mit unserer Mutter, wie wir sie verloren und nie mehr wieder sahen. In den ganzen drei Jahren hat man immer so in ständigem Betrieb gelebt, mit Wohnungssuche und Einrichtung derselben, man hat seine Arbeit und alles erst neu aufbauen müssen. Man war glücklich und dankbar, dass man in Ruhe ist und doch sozusagen nichts passiert Kommt alles einem zum Bewusstsein.
Man wartete von Jahr zu Jahr auf eine Wendung, die Ernährung wird immer schlechter und auch die Existenzfrage muß ja auch einmal gelöst werden.[.]Aber ich sehen mich mal nach Ausspannung von all diese Nöten und Sorgen […] Nun bin ich heute hier in meinem Büro allein und da will ich mal die Zeit benutzen, um mal ausführlicher an Sie zu schreiben, da ja mit der Hand geschrieben es zu lange dauert […]
Es wäre ja so schön wenn man mal persönlich über alles sprechen könnte, aber es ist gar so sehr weit bis zu Ihnen herauf.[..] eigentlich müsste man sich der ruhigen Tage noch freuen, denn der Horizont am politischen Himmel sieht doch recht schwarz und düster aus. Wenn man die gespannte Lage betrachtet, und die enormen Rüstungen verfolgt, so muß doch einmal wieder alles aufeinander platzen, denn umsonst werden doch für Rüstungen keine Milliarden ausgegeben. Dass die Horden aus dem Osten noch immer an der Elbe sitzen, ist ja auch eine ständige Gefahr für ganz Europa, was die Menschen nicht genug sich in Erinnerung bringen können. Es ist mir daher rätselhaft, wie die Einheimischen, besonders die Bauern, noch so sehr am Besitz hängen können. Immer mehr raffen und Wert an sich ziehen und den verhungerten eigenen deutschen Brüdern nichts geben.
Auf einer Caritas-Tagung hörte ich von einem Geistlichen die Worte: " Das christliche Deutschland hat in der Aufnahme der Flüchtlinge versagt, es wird immer nur vom Ausland Hilfe für die Flüchtlinge erwartet, aber das eigene deutsche Volk ist imstande, die Flüchtlingsnot wenigstens so einigermaßen zu beheben, wenn sie das Wort aus dem Evangelium beherzigen, wer zwei Röcke hat, gebe einen ab. Es hat ein Einheimischer kein Recht auf zwei Dutzend Bettücher, wenn der Flüchtling nebenbei keines hat, er hat die Pflicht zu teilen usw. "Aber da kann mit Engelszungen geredet werden, es mangelt an Tatchristentum.
Und darum muss und wird auch noch etwas über uns alle kommen, über die Deutschen und auch über die anderen Länder. Aber wir, die wir schon einmal einen Weltuntergang erlebt haben (Im Zentrum von Danzig war es besonders schlimm) sollen wir noch einmal wieder alles von neuem erleben. Jetzt wo de Frühling da ist und die Natur hier im Neckartale hier so herrlich ist, und man ständig die Parolen hört: "Die Horden werden auch noch weiterkommen, bis zum Rhein, ja bis zum Atlantik" dann möchte man am liebsten den Rucksack nehmen und weiter gen Westen wandern, aber jetzt können wir doch nicht mehr weiter, Damals in Danzig, da hatten wir noch ein Ziel, jetzt geht es nicht mehr weiter. – Nun wir wollen auch hierüber uns keine Sorgen machen, vielleicht kommt es alles ganz anders. Meistens ist es ja so. – […]
Das heißt schmecken werden sie (die Kartoffeln) auch so weil sie von treuer Freundeshand geschickt sind. Manchmal denke ich ,dass es doch eigentlich sehr schön sein würde, wenn wir alle wieder in unserer Heimat zurückkommen und dann wieder dort im Frieden leben könnten mit Menschen, die alle durch ein so großes Leid gegangen sind und es zu schätzen wissen, dass sie wieder bei ihren eigenen Landsleuten und in der Heimat sein können. Die Leute aus dem Böhmerland, Pommern und Schlesien haben auch Hoffnung, da diese Gebiete nicht besiedelt wurden, aber wir Danziger sind übel dran, da der Pole dies niemals abgeben wird, weil ja Danzig und der Hafen und Zoppot immer seine Sehnsucht war. Zur Zeit sind in den Vororten von Danzig und Zoppot 180.000 Menschen angesiedelt. In Zoppot allein 40.000, (darunter nur zweitausend Deutsche) Wie sollen die einmal hinausgehen, das gibt ja wieder eine große Völkerwanderung. Zoppot ist fast unzerstört. Das Kurhaus ist kaputt, da hat man eine grosse Terrasse hingebaut. Die Leuchtfontäne, höher als bisher, geht jeden Abend, auch der Steg ist erneuert und mit den alten bunten Wimpeln behängt. Zoppot ist Klein Warschau geworden. Das internationale Leben flutet dort noch größ e r , a l s v o r h e r . I m K a s i n o h o t e l , d a s j e t z t r e n o v i e r t u n d i n f o l g e F e h l e n s d e s K u r h a u s e s p r & a u m l ; c h t i g s i c h a u s n i m m t , w o h n e n n u r A u s l & a u m l ; n d e r . E s i s t e i n e F & u u m l ; l l e v o n W a r e n v o r h a n d e n , a b e r e n t s e t z l i c h t e u e r . 1 K g . B u t t e r 5 0 0 Z B. E i n A r b e i t e r v e r d i e n t 3 - 5 0 0 0 Z l o t y < B R > D i e b e i d e n B r & u u m l ; d e r H e i n r i c h s h a b e n w i r j e t z t & o u m l ; f t e r z u B e s u c h . W a l t e r a u s H e r z b e r g h a t e i n e S t e l l e . a l s V e r w a l t e r a u f e i n e m G u t v o n 5 0 0 M o r g e n z w e i S t u n d e n e n t f e r n t i n H e s s e n u n d B r u n o a u s P r a u s t f e l d e i s t L a n d g e h i l f e a u f 4 0 M o r g e n , 2 0 km. von hier entfernt. Er steht in Scheidung, hat viel mit seiner Frau durchgemacht und wird hier auf dem kleinen Bauernhof so richtig ausgenutzt. Weiss nicht, wo er hingehört und will jetzt Schluss machen und wieder herumfahren, um sich was Neues zu suchen. Er hofft auf eine Siedlung dort oben in Schleswig Holstein und will Mitte Mai wieder nach dem Norden abhauen, da hier unten in Süddeutschland und Westdeutschland zu armselige Verhältnisse sind. Er hat uns viel erzählt von Danziger Bauern. So soll die ganze Familie Schienemann-Rosenberg [Liste] mit einem Schiff untergegangen sein. Dann berichtete uns Herr Prohl-Schnakenburg [Liste], das angeblich Rethel und Klein von der Raiffeisenbank in Haft sein sollen. Hat Ihr Herr Bruder darüber schon etwas gehört. Der alte Herr Penner – Herzberg [Liste] hat geheiratet, angeblich soll er als Mitläufer entnazifiziert sein. Wegner – Kladau [Liste]sollte auch
von den Russen in Haft genommen werden, hat sich aber noch rechtzeitig in die brit. Zone flüchten können. Simbriger ist wieder auf die Füsse gefallen. Seine Frau ist von ihm geschieden, er hat aber eine Witwe geheiratet, durch deren Bruder er Verwalter eines grösseren Gutes geworden ist. Seine Frau hat auf diesem Gut auch einen Posten als Sekretärin, so dass es ihm wirtschaftliche gut geht.
Nun will ich schließen […].
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /n. 29.5.1948 1 Br. 2 Bl. hs.
[…] erhielten wir Ihre Kartoffelsendung[…]Wie lange soll diese Ernährungsnot nur noch dauern, jetzt leben wir nun schon 3 Jahre in diesen furchtbaren Verhältnissen und es ist keine Aussicht auf ein Wendung. Von einem Rechtsanwalt aus Berlin, der auch in der amerik. Zone weilt und den ich neulich in Heidelberg kennen lernte hörte ich, dass er mit Bestimmtheit damit rechne, dass wir in 4-5 Jahren wieder alle daheim sind und dass in 15 Jahren wieder alles in wirtschaftliche Blüte dastehe, und dass ein Krieg vor 3-4 Jahren nicht zu erwarten sei. Mir war diese Zeit im Hinblick auf das Flüchtlingselend zu lang und doch wäre sie kurz, wenn man die Geschichte betrachtet. Trotzdem kann man es sich ja nicht vorstellen, wie die 5 Millionen Polen, die laut heutiger Zeitungsmeldung in unserem Ostraum angesiedelt sind, mal von dort wieder herausgebracht werden sollen. – Nun werden wir ja auch ganz verelenden wenn die eine Währung kommt […] der Tauschhandel wird bleiben[…]
Das ist doch gut, dass sie die beiden Banditen noch haben. So werden Sie gar nicht zum Nachdenken kommen[…]
und das herrliche Neckartal mit seinen schönen Burgen und Ruinen haben wir schon oft befahren und durchwandert. In den schönen Wäldern fühlen wir uns wie zu Hause. Wie oft rufen wir uns zu: Hier ist’s wie auf der Dzg. Höhe, hier ist’s wie im Schäfertal und so ähnlich. Der deutsche Wald ersetzt uns daher ein wenig die Heimat. Aber die Länge trägt die Last, und wenn ich die Wohnungsnot de Flüchtlinge und ihre Elend betrachte, so habe ich das feste Vertrauen, daß unser Herrgott dies nicht mehr so lange ansehen wird und wegen der vielen Millionen bestimmt eine Wendung herbeiführen wird. Diesen Glauben & Hoffnung müssen wir schon haben, denn wenn wir diesen nicht mehr haben würden, dann könnte unser deutsches Volk einpacken. wie geht es Ihrem lieben Muttchen und was macht Ihr Herr Bruder! Ist er auch so ungeduldig, wie unser Bruder, dem es alles viel zu lange dauert und der am liebsten alles mit Atom zu decken möchte?!
Aber gut Ding will Weile haben. Hat Ihr Herr Bruder mal etwas von Rethel und unseren anderen Größen gehört? Der größte Teil wie Flier, der dicke Jost, Huth [Senator Wilhelm Huth ,Stellvertreter des Reichsstatthalters von Danzig Westpreussen Wilhelm Forster] , Busch soll eingesperrt gewesen sein, auch der kleine Löbsack. Ob sie inzwischen entlassen, weiß ich nicht. Was mag aus dem Wilz (Milz(?) geworden sein, man hört hier untern gar nichts von unseren Landsleuten und von früheren Wichtigtuern, die unsere anständigen Leute so betrogen haben. Von Herrn Dr. Posdzeile haben wir nichts in Erfahrung bringen können, Herr Burandt würde es gern wissen, er hatte nicht viel für ihn übrig, vielleicht kann ihr Herr Bruder etwas in Erfahrung bringen. Nun will ich schließen.
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /n. undat (1949).1 Br. 1 Bl. mschr.
Liebe Frau Stolz !
Ihre Karte mit der Adresse habe ich erhalten, aber den angekündigten Brief noch nicht. [….]
Zu Ostern gehen meine Gedanken besonders stark in die Heimat, in unserer schönen Backsteinkirchen, in altehrwürdiger gotischer Form. Die kirchl. Bräuche in der Karwoche und zu Ostern waren bei uns besonders schön, viel feierlicher als hier. Es war eben auch der äußerer Rahmen und unser stilles besinnliches Publikum. Wir sind halt doch andre Menschen, wie diese Pfälzer hier, die immer nur laut singen und laut sprechen möchten, während wir lieber für uns still beten möchten. Und dann die Gesänge, entweder es ist die Melodie richtig oder aber ein anderer Text, oder der Text ist richtig aber die Melodie anders. Sogar das Lied Stille Nacht hat 6 Strophen, von denen unsere beiden hier als 5.und 6. Strophe gesungen wird. Nirgends ist man zu Hause. Der Frühling ist wohl nun endlich eingekehrt[…]
zur Zeit ist nun die Änderung meiner Existenz die größte Sorge. Ich muß unter allen Umständen jetzt wechseln, da für meine Stelle auch die Finanzen ausgehen. Ich habe ja wohl noch einige Wochen Zeit und hoffe, dass ich doch in dieser Zeit etwas finde. Allerdings werde ich wohl nach Mannheim müssen, so dass ich dann nur immer Sonntags zu Hause sein kann. Mir bleibt natürlich dann ja auch nicht viel, wenn ich in Mannheim alles bezahlen soll und auch noch zu Hause einen Zuschussgeben muß. Mir graut so sehr vor der Veränderung, denn in Landw. Büros kann ich nicht unterkommen, muss also in die Industrie und da wird viel verlangt. Ohne Fürsprache […]
wenn man 25 Jahre so auf einer Stelle gesessen hat, ist man so verwurzelt,[…]
Ach , Frau Stolz, was haben wir nur verloren. Ich bin manchmal so lebensmüde […] Hie sind die meistern Flüchtlingsmänner arbeitslos. Die Mädels sind zum größten Teil in den Fabriken untergekommen. Heute schrieb mir meine Freundin aus Hamburg, dass sie glücklich aus Mecklenburg schwarz herübergekommen sei .Sie war dort an der Ostsee Lehrerin und die politische Lage spitzte ich immer mehr zu, sodass sie alles. Amt und Sachen im Stich gelassen hat und zu ihrem Vetter nach Hamburg zog. Nun will sie versuchen, wieder als Lehrerin in der brit. Zone unter zukommen. Also auch sie steht nun wieder genau so da, wie vor 4 Jahren, als sie aus russ. Gefangenschaft in Thorn, wo sie Entsetzliches durchmachen musste, herauskam.
Sie war mit uns die Schreckenstage immer zusammen. Wir waren im Diakonissenhaus und die Verwundeten wurden in grossen Zügen immer nach Thorn und dann weiter gebracht. Sie liess sich nun überreden, solch einen Verwundetenzug zu begleiten und hoffte auch, bei Bekannten in der Thorner Gegend, wo sie zuletzt Lehrerin war, noch ihre Sachen vorzufinden. Sie wurde dann mit den Verwundeten zusammen hinter 4 fachem Stacheldraht eingesperrt und hat dort das Sterben von 80 % der Verwundeten miterlebt und ist derartig verhungert, dass sie als Greisin dann nach Mecklenburg herauskam. Sie hat allerdings, wie ich jetzt aus ihren Zeilen entnehme, eine große Dummheit gemacht. Sie war Stadtverordnete von eine bürgerlichen Partei !! Ich bin sprachlose, ich bin schon in früheren Zeiten nie für so etwas gewesen. Gewiss, man muss ja wählen, schon damit die Komm.[unisten] nicht hoch kommen, aber für uns Flüchtlinge hat keine Partei etwas übrig. Ich glaube jedenfalls an nichts mehr. Das Flüchtlingselend ist ja nun auch so riesengroß, dass es von den Deutschen allein nicht gelöst werden kann, hier muss das Ausland helfen. aber etwas mehr tun könnten sie doch, und vom Lastenausgleich spürt man immer noch nichts. Die Hausratbeihilfen erhalten hier nur die alten Flüchtlinge und die kinderreichen Familien. Manchmal haben diese Leute , besonders wenn sie aus Ungarn sind, mehr mitgebracht als wir. Die haben alle ihre Federbetten usw. Wie haben bis heute noch kein Federbett kaufen können; es ist noch immer alles geliehen. Aber wenn man die ganze politische Lage betrachtet, so sage ich mir dann immer: Haben wir noch ein Zukunft? Die Heimat rückt in immer weitere Fernen, und das Leben hier in de Fremde unter diesen Verhältnissen ist nicht mehr lebenswert.
Wie beurteilt Ihr Herr Bruder die ganze Lage, glaubt er auch an eine Auseinandersetzung? Sie wird ja wohl mal kommen, aber wann und was wird da übrig bleiben? Wenn man wenigstens nur mit seinen Bekannten von daheim zusammen sein könnte. Wir merken es auch an uns. Man versteht sich am besten mit Flüchtlingen. Nun sind leider hier nur wenige unter den Flüchtlingen, mit denen man verkehren kann, da die meisten auch landsfremd sind, da hat man zu den Einheimischen manchmal mehr Fühlungnahme. Aber wenn man dann in die gut bürgerlich eingerichteten Wohnungen geht, dann kann man den Verkehr nicht aufrecht erhalten, weil man noch zu primitiv wohnt. […] Was sicher Ihren Herrn Bruder interessieren wird. Frl. Hinz schrieb mir wieder aus Danzig. Herr Rethel soll als Deicharbeiter irgendwo sein Leben fristen, und die beiden Bauern Marienfeld-Güttland [Liste] und Zeidler-Zugdamm [Liste]sollen nach Brasilien ausgewandert sein. Ich glaube, er wird sie auch kennen. – anliegenden Mantel habe ich aus einer amerik.Sendung für Sie mir geben lassen. .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /N. 2.3.1949 1 Br. 3 Bl. hs.
Meine liebe Frau Stolz! […]
Heimgang ihrer lieben Mutter[…]
[..] Wer weiß was im Sommer schon alles sein mag. Die Lage spitzt sich doch sehr zu. Man kann es sich gar nicht vorstellen, wie wir einmal die Besatzung, besonders die östl. los werden, besonders auf friedlichem Wege. Ein Teil de Menschen prophezeit einen baldigen Krieg, manche sind aber auch gegenteiliger Ansicht. Ich denke es mir grauenhaft, noch einmal einen Krieg zu erleben, was sollen wir auch noch hergeben. Unsere Jugend ist dahin, fast alle Städte zerstört und 1/3 von Deutschland an die Slawen abgetreten. Die Flüchtlinge sagen ja immer "wir können nicht mehr verlieren". Gewiß, es ist ja einerseits wahr, aber wenn nun noch das restl. Deutschland so zertrampelt wird, dann ist überhaupt kein Aufbau mehr möglich, dann kann unter Umständen, das ganze Volk untergehen. Bezw. Nur ein kleiner Teil übrig bleiben. – [….]
Wie hat man dann nur Sehnsucht nach unserer kühlen Ostsee! Werden wir beide noch mal am Strande sitzen und von unserer Verbannung erzählen? Wenn wir wieder heim kommen sollten, dann möchte ich in Zoppot wohnen und jeden Abend am Strande meinen Spaziergang machen.4 Jahre sind nun schon herum und es sind noch keine Anzeichen zu bemerken, wenn gleich der polit. Himmel finster genug aussieht. […].
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /N. 16.9.1949 1 Br. 1 Bl. hs.
Jetzt endlich hat die Hitze nachgelassen und seit einigen Tagen ist angenehmes Wetter, so wie wir es in Danzig gewöhnt sind. Nun geht der schöne Sommer zu Ende; man war doch dem Heimweh dadurch etwas abgelenkt, konnte sich mehr draußen in de frischen Luft bewegen. Mir graut schon vor der kalten Jahreszeit [beengte Wohnverhältnisse und sie schickt Unterwäsche für die Jungs] .
Margarete Wegener an Reinhard Stolz Eberbach /N. 9.8.1950 1 Br. 1 Bl. hs.
[Reinhard ist jetzt 19 Jahre. Vgl. Schroedter Fluchttagebuch :Tage in Ochsenkopf]
sende ich ihm zum Ersatz – gleichzeitig zur Erinnerung an den Danziger Dominik etwas Süßigkeiten, wie sie auf unserem Dominik immer üblich waren. Die Thorner Katharinchen, "sprich Kathajinchen", fehlen leider, trotzdem unsere Dora sich zu Weihnachten extra eine Katharinchenform vom Klempner machen ließ, hat sie es nicht mehr geschafft, welche zu backen, die Hitze war zu groß und der Gasbackofen ist in Dzg. geblieben, konnten ihn leider nicht mitnehmen !! I meinem Beruf gefällt es mir ganz gut, wenn ich die landw. Bedarfsartikel & Erzeugnisse in den Büchern buche, dann ist mir etwas heimatlich zu Mute. Etwas muß man noch umlernen. Statt Bullenhaltung heißt es (Farren) haltung und wenn ein Hauptgut verkauft wird, so ist das kein großes Rittergut, sondern der Tabak, der hier ordentlich angebaut wird. Hier müssen sich die Leute sehr quälen, um auf den wenigen Land durchzukommen, müssen daher viel Handelsgüter und dergleichen anbauen, und mehr arbeiten als bei uns. Daher haben die jungen Burschen nicht viel Sinn fürs Land, alles will städt. Berufe haben, wo die Betriebe größter waren und somit mehr Spaß machten –
Der Tag geht schnell zu Ende, um 5 Uhr kann ich schon heimfahren, aber diese Stunde Heimfahrt in dem überfüllte heißen Zug, macht mich ganz fertig. Mit Sehnsucht erwarte ich stets den Samstag. Aber es ist ja alles Übergang, wenn es noch weiter so friedlich bleibt, kann man noch zufrieden sein, mal wird der Krieg ja doch kommen, aber andererseits kann es so ja auf die Dauer auch nicht bleiben, es ist en Vegetieren ohne Hoffnung auf eine Zukunft und dabei geht besonders unserer Jugend sittlich zugrunde, denn Tausende können ja nichts mehr erlernen, weil die Lehrstellen fehlen. Da bleibt Ihr beide nur vorläufig noch in der Schule, denn mit einem Abi. steht jeder Beruf offen und vielleicht ist es in paar Jahren schon besser. Ich glaube fest, dass wir noch alle mal über die Oder/Neiße Linie zurückmarschieren, aber dann nicht mehr so hoffnungslos, wie auf der Herfahrt – wenn wir es überstehen Herzl Gr […] Eure Tante Wegener. .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /N 20.12.1953 1 Postkte. hs.
[..] so haben wir vor dem Fest noch große Scherereien und dabei kann doch keine so rechte Weihnachtsfreude & Weihnachtsfriede aufkommen und wie sehnt man sich doch danach, leidet man doch schon so unter dem Verlust so lieber Menschen, die in alle Winde verstreut sind; von der Heimat will man schon gar nicht mehr reden .die ist ja unerreichbare Ferne gerückt. Trotzdem, wir wollen nicht verzagen.
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /N. 19.12.1966 1 Br. 1 Bl. mschr. .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Kellenhusen 24.6..1967 1 Br. 2 Bl. hs. .
[…] aber ich in auch immer meiner Schwester wegen hier hingefahren. Im nächsten Jahr muß ich vielleicht doch etwas anderes wählen. Aber man weiß ja nicht, was alles auf uns zukommen wird. Es ist doch schrecklich, in einer solchen Zeit zu leben, was haben wir nur alles durchgemacht und immer muß man bangen, dass wieder irgendein Verrückter einen Krieg entfesseln wird. Nun wir wollen alles in Gottes Hände legen, wir können nichts dazu tun und auch nichts aufhalten.[…] .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /N. 13.5.1968 1 Br. 1 Bl. mschr. .
[…] Martin hat nun auch zwei Kinder. Mir ist noch in Erinnerung als wenn er auch beruflich schon sehr weite gekommen ist. Vielleicht können Sie mal in der nächsten Zeit etwas ausführlich schreiben. Auch über Herrn Kowalke. Ist er noch in Büdelsdorf und hat er noch eine Tätigkeit. Er wohnte doch in einem so netten Verwalterhaus mit schönen Obstgärten. Der Betrieb sollte doch aufgelöst werden und er machte sich damals etwas Sorgen. Hoffentlich hat er schon wieder etwas gefunden. […] Durch Arbeit kommt man nicht zum Grübeln, das Leben ist sehr turbulent. Man mag ja auch gar keine Nachrichten mehr hören, trotzdem man es muss, um auf dem Laufenden zu sein. Was wird nur aus der Welt werden. Wie wird es in 5 – 10 Jahren aussehen, wenn diese rabiaten Studenten in führende Posten kommen. Mich haben diese Revolten ganz besonders entsetzt, weil ich diese bei Studenten nie für möglich gehalten hätte. Wie ganz anders war doch die Jugend in unserer Jugendzeit. Und dann die Studentinnen mit ihren Miniröcken bezw. blauen Hosen und langen Haaren. Gewiss es sind nicht alle so, aber diese guten Kräfte kommen ja gar nicht mehr zu Worte und verkriechen sich [….].
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /N. 4.4..1969 1 Br. 1 Bl. mschr. .
[….] Ja, das Zusammenleben hat alles seine Licht- und Schattenseiten. Wenn man alleine ist, ist die Einsamkeit, überhaupt weil man nicht mehr in der Heimat weilt, schwer zu ertragen, aber man hat es leichter im Haushalt. Jetzt hat man überhaupt kein Privatleben mehr, von morgens bis abends immer im Trab. Dazu ist unser Bruder auch oft so voller Unruhe und kann doch gar nicht mit allem, was so in der Welt vor sich gegangen ist und immer noch passiert, abfinden .Er ist oft verärgert und möchte immer davon sprechen und wir wollen davon nichts wissen und hören. Wir können nichts ändern [Netzhaut und hoher Blutdruck und Angst darum] .
Margarete Wegener an Liesbeth Stolz Eberbach /N. 28.12.1969 1 Br. 1 Bl. mschr. .
Wohnt Reinhard noch in Eckernförde? Er soll doch an die Nordsee versetzt werden. Martin wird wohl sicher noch immer in Hannover sein. Auf der letzten Urlaubsreise in Kellenhusen haben wir auch so nette Menschen aus Hannover kennen gelernt. Eine ältere Dame nebst Tochter und Enkelkind. Die Tochter, eine hübsche Frau von Anfang 30 und ein reizender kleiner Junge war geschieden. Mir ganz unfassbar, wie so etwas vorkommen kann, bei eine solchen netten Frau und Kind. Und nur durch seine Trunksucht. […] Ich hatte mal wegen des Besitzes Kunde-Tiefenthal eine Stellungnahme abzugeben. Die Heimatauskunftsstelle schrieb mir. Ein gewisser Waldmann poln-jüdischer Abstammung gab an, den Betrieb Kunde-Tiefenthal ab ca 1922 gepachtet zu haben und dort viel investiert zu haben. Große Lagerhallen gebaut, großes Transportunternehmen dort gehabt, Garagen und Scheunen aus Eisen und Wellblech gebaut. 4 Pferdelastwagen besessen und die landw. Produkte von Tiefenthal [Liste] und andere in groß
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