D i e A u s g e wi e s e n e n

 

Ein Kinderlied  /   Von Ernst Wiechert (gest. 1950)

 

Wir hatten einst ein Haus, doch das Haus verdarb

Wir hatten eine Heimat, und die Heimat starb.

Man trieb uns, wie man Vieh mit dem Stecken treibt.

Man rieb uns, wie man Korn zwischen Steinen reibt.

O hilf uns liebe Maria

 

Der Vater ist gefangen im fremden Land

Die Mutter ist begraben im fremden Land.

Haben einen neuen Vater, der heißt Tod.

Haben eine neue Mutter die heißt Not.

O hilf uns doch, liebste Maria.

 

Nun sind wir in der Fremde und sehen uns um.

Starrt jeder uns an wie taub und wie stumm.

Wir stehen vor den Türen und klopfen an,

Ach wird uns den nirgends aufgetan ?

Erbarm Dich doch, Maria.

 

Gott webt uns ein Röckchen aus Tränen und Gram.

Mit Fäden aus Hunger, mit Fäden aus Scham,

Das Schifflein webt Leid und Leidund Leid.

O webt uns ein bißchen Freude insKleid,

O web für uns, liebste Maria

 

 

 

 

In:

Deutsche Heimat imOsten.

Ausstellung in denMessehallen am Funkturm

24. November bis17.Dezember

Berlin

1950

 

Veranstaltet vom

Bundesministerium fürGesamtdeutsche Fragen

Und vom Magistrat vonGross-Berlin

 

Hier auch das Konzeptfür einen Raum, der mir mit der Gedenk-Rotunde aus dem Konzept zur Ausstellungdes Zentrums gegen Vertreibungen vergleichbar scheint.

 

Ehrenraum (Halle V I,4)

 

Der Ehrenraum wir beherrscht durch einen großen Turm von 8Meter Höhe .Seine beiden Glocken werden zugleich der Klage und der Hoffnung ihreStimme leihen, der Klage und der Trauer über die vorenthaltene Heimat und derHoffnung auf Wiederkehr, der bangen Hoffnung. Ihr Klang wird das Gedächtnis derToten beschwören, derer die der Krieg verschlang und die auf den langen Wegengeblieben sind. Ihr Klang wird aber auch Trost spenden und Mut erwecken denen, die die Schrecken des Krieges aus derHeimat vertrieb, aber das Leben retteten, und wird alle aufrufen, jeneVertriebenen nicht zu vergessen und das Land ihrer Heimat.

 

Die beiden Außenwände des Ehrenraumes nehmen die Stimmen derGlocken auf: an der Südseite auf großer Schrifttafel das ergreifende Kinderliedvon Ernst Wiechert, auf der gegenüberliegenden Nordseite die Reliefplastik „Klage“von Käthe Kollwitz, die niemand ohne Erschütterung betrachten wird.

 

Glockenturm ,Entwurf Theo Effenberger

Südseite, Schrifttafel mit dem Gedicht von Ernst Wiechert „DirAusgewiesenen“, ein Kinderlied

Nordseite,  KätheKollwitz „Klage , Reproduktion der Reliefplastik

(S.78)